Fremde Kulturen und internationale polizeiliche Zusammenarbeit Die Karriere von Kerstin S. im BKA
Kürzlich fragte mich ein ausländischer Kollege nach meinen Dienstjahren und es fühlte sich eigenartig an zu antworten, dass ich seit nunmehr 27 Jahren im Bundeskriminalamt arbeite. Der deutsche Polizeibeamte weiß, dass der Dienstgrad der Ersten Kriminalhauptkommissarin mit einer gewissen dienstlichen „Reife“ einhergeht. Doch fehlt mir teilweise das Bewusstsein dafür. Andererseits: Wenn ich die aufregenden beruflichen Erfahrungen des letzten Vierteljahrhunderts Revue passieren lasse, dann verwundert es fast, dass sie sich in diesen Zeitraum pressen lassen.
Wie alles begann
Aber der Reihe nach: Die 3-jährige Ausbildung zur Kriminalbeamtin im Anschluss an mein 1989 abgeschlossenes Abitur bot bereits einen vielversprechenden Einblick in die Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten – im Beamtendeutsch „Verwendungen“ – beim BKA. Ein erstes Praktikum verrichtete ich im Bereich Umweltkriminalität.
Im zweiten Praktikumsabschnitt durfte ich hinter die Kulissen des Politikbetriebs schauen: Ich wurde in der Sicherungsgruppe im Personenschutzkommando des damaligen Außenministers Genscher eingesetzt. So lernte ich unmittelbar nach der Wende dienstlich die neuen Bundesländer kennen und begleitete den Minister sogar ins Ausland. Auch das damals noch 1-jährige sogenannte Länderpraktikum bei der Polizeidirektion Heidelberg war ein Highlight während meiner Ausbildung, die durch theoretische Studienabschnitte abgerundet wurde.
1992 wurde ich nach erfolgreichem Ausbildungsabschluss dem seinerzeit noch sehr jungen Bereich der Finanzermittlungen zugeteilt. So habe ich die dortigen (straf-)rechtlichen Entwicklungen über Jahre hautnah miterleben dürfen. Die Ermittlungen ermöglichten mir auch eine Reihe an Auslandsdienstreisen, bei denen wir von den vor Ort eingesetzten BKA-Verbindungsbeamtinnen und Verbindungsbeamten (VB) betreut wurden.
Als Verbindungsbeamtin des BKA im Auslandseinsatz
Da ich von jeher ein großes Interesse an Fremdsprachen und fremden Kulturen hatte, wurde in dieser Zeit der Grundstein für meine Bewerbung als BKA-VB gelegt. Sie bedeutete die entscheidende Weichenstellung. Denn über die nächsten 20 Jahre habe ich neben einigen Langzeitverwendungen als VB (fünf Jahre in Paris, Frankreich und vier Jahre in Neu Delhi, Indien) viele sogenannte VB-Standorte im europäischen und außereuropäischen Ausland durch mehrmonatige Urlaubsvertretungen kennengelernt (Algerien, Rumänien, Russland, Thailand).
Zwischenzeitlich war ich über mehrere Jahre als Sachgebietsleiterin mit Grundsatzangelegenheiten der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit im BKA in Berlin betraut. Zudem war ich als nationale VB in einem Pilotprojekt im Gemeinsamen Zentrum der deutsch-französischen Polizei- und Zollzusammenarbeit in Kehl eingesetzt. Aktuell arbeite ich als nationale VB im Auswärtigen Amt, genauer gesagt im Krisenreaktionszentrum. Insbesondere in Krisenlagen wie bei Terroranschlägen mit deutschen Opfern im Ausland ist diese Verbindungsstelle für die Zusammenarbeit von Auswärtigem Amt und BKA von großer Bedeutung.
Im Einsatz für die Identifizierungskommission
Auch meine nebenamtliche Tätigkeit für die Identifizierungskommission (IDKO) seit Mitte der 90er Jahre hat schon zu zahlreichen Einsätzen geführt, wobei sich einer kürzlich zum 12. Mal jährte: der Einsatz anlässlich des Tsunamis in Südostasien 2004. Damals war ich mehrere Monate in Sri Lanka und Thailand tätig. So traurig die Anlässe solcher Einsätze sind, so machen sie deutlich, wie wichtig die internationale polizeiliche Zusammenarbeit ist, um die Welt ein bisschen sicherer zu machen oder – wie im Fall von Krisenlagen – die Identifizierung deutscher Opfer auch im Ausland sicherzustellen.
Nationale Expertin für Schengen-Mitgliedstaaten
Seit 2016 habe ich noch ein weiteres Nebenamt: Ich gehöre dem deutschen Pool der nationalen Experten für die Evaluierung der Schengen-Mitgliedstaaten im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit an. Hier kann ich mein über Jahrzehnte erworbenes Fachwissen gezielt einsetzen, indem ich als Mitglied eines Experten-Teams aus Schengen-Mitgliedstaaten anlässlich von Evaluierungsreisen die Einhaltung der Schengen-Standards überprüfe. Eine verantwortungsvolle Aufgabe, da ich als nationale Expertin Deutschland repräsentiere.
Das BKA bietet mehr als „klassische“ Polizeiarbeit
Zwar habe ich mich schon sehr frühzeitig für die BKA-interne Karriere als VB entschieden, doch ich weiß das BKA zu schätzen mit seiner Vielfalt an spannenden Tätigkeiten, die zum Teil nicht auf den ersten Blick mit dem, was man als „klassische“ Polizeiarbeit versteht, in Verbindung gebracht werden. Darin liegt eben gerade die Attraktivität unseres Arbeitgebers: Jeder kann sich hier mit seinen Stärken und Interessen wiederfinden. So hätte ich mir beispielsweise auch eine Verwendung im Bereich Zeugenschutz oder bei der Pressestelle vorstellen können. Ich befürchte jedoch, dass die Jahre bis zu meiner Pensionierung hierfür nicht reichen werden ..., vermutlich wohl deshalb, weil ich meinen Job als VB einfach zu gerne mache und künftig ein weiteres Mal für das BKA als VB im Ausland arbeiten möchte.
Auch wenn sie nahe liegt, die Vermutung, dass ich als gebürtige Wiesbadenerin quasi schon ein „genetisch bedingtes“ berufliches Interesse am BKA mit seinem Hauptsitz in der hessischen Landeshauptstadt hatte, ist falsch. Meine BKA-Zugehörigkeit habe ich eigentlich einem Zufall zu verdanken: In der Orientierungsphase für die Berufswahl empfahl mir mein Trainer im örtlichen Sportverein eine Bewerbung beim BKA. Und da mir das Berufsbild des Kriminalbeamten gefiel, setzte ich seine Empfehlung prompt in eine Bewerbung um – Ich betrachte es rückblickend als eine glückliche Fügung!